Familie // Family

 Ich habe so viel Respekt und Liebe für diese Menschen, auch wenn ich sie erst so kurz kenne. Aus so vielen Gründen. Jeder von ihnen hat einzigartige, schöne Eigenschaften.

Da ist M, A‘s Mutter, die so wahnsinnig viel arbeitet und sich nie beschwert. Morgens steht sie oft schon vor mir auf, um in das Hotel zu fahren, in dem sie als Köchin arbeitet (S bringt auch sie jeden Morgen zum Bus) und wenn sie dort fertig ist, geht sie noch für ein paar Stunden in das Restaurant, dass sie nebenbei betreibt. Sie nimmt dann A meistens mit dorthin, damit sie wenigstens noch ein bisschen Zeit zusammen haben. Obwohl sie so einen stressigen Alltag und so wenig Zeit für sich selbst hat, ist M ein positiver Mensch und hat immer ein nettes Wort für mich, wenn wir uns sehen. Ihr kleiner Sohn A ist der süßeste Vierjährige, den man sich vorstellen kann. Wir verstehen uns, auch ohne die gleiche Sprache zu sprechen. (A spricht im Moment hauptsächlich Mandinka.) Jeden Tag, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, rennt er auf mich zu und umarmt mich. Mir geht wirklich das Herz auf, wenn ich ihn zum lachen bringen kann, und ich versuche mir mit den limitierten Möglichkeiten, die wir haben, oft irgendwelche Spiele für ihn auszudenken. An einem Abend stelle ich all meine Kosmetikprodukte auf einen Eimer und lasse ihn mit Orangen darauf zielen, wie beim Dosenwerfen. A findet das toll. 
Ich staune immer wieder über seine Intelligenz und gute Erziehung. An einem anderen Tag, ein extrem heißer Sonntag, hilft er mir für bestimmt 2 Stunden durchgehend, meine Wäsche zu waschen. Per Hand, versteht sich. Waschmaschinen sucht man in den Haushalten hier meist vergeblich. Abends, wenn M noch arbeitet und A auf der Couch eingeschlafen ist, bittet mich F regelmäßig, ihn rüber ins Zimmer zu tragen und ins Bett zu legen, weil sie nicht mehr so schwer heben kann.
F ist eine sehr beeindruckende Frau. Ich bewundere sie ohne Ende. Ich denke auch, wenn man soviel Stärke besitzt wie F, geht das nicht ohne eine Gewissen Härte und Strenge. F jedenfalls hat das alles. Aber wenn sie mal lächelt, ist das alles. Sie stemmt trotz gesundheitlicher Probleme den ganzen Haushalt, hilft M mit A und arbeitet an vielen Tagen noch nebenbei. Wenn ich von der Arbeit komme, hat sie immer schon das Essen bereitgestellt. Ich glaube ehrlich, wenn ich so lange und harte Tage wie F hätte, würde ich morgens erstmal heulen. Sie kann sich nicht einfach mal einen Tag freinehmen. Aber genauso wie M beschwert sie sich nicht, sondern zieht es durch.Wenn sie abends auf der Couch liegt und mit mir zusammen fernsieht, sehe ich ihr die Erschöpfung an. Manchmal fragt sie mich nach Schmerztabletten. Die gebe ich ihr gerne. Ich bin froh, etwas für sie tun zu können, abgesehen von kleinen Aufgaben im Haushalt, die ich versuche, für sie zu erledigen. Abwaschen. Wäsche zusammenlegen. Mich mit A beschäftigen. Aber irgendwie habe ich nie das Gefühl, dass es auch nur ansatzweise genug ist. 
F ist eine traditionelle Sängerin. Das bedeutet, sie singt auf Hochzeiten und zahlreichen Zeremonien, für etwas Geld extra. Ich habe das auch schon einmal miterleben dürfen. F und ihre Schwester, die ebenfalls Sängerin ist, wie sie durch die Menschenmenge tanzen und in ein Megaphon singen. Die Gäste stecken ihnen Spenden zu. Wenn F singt, verändert sich ihre ganze Ausstrahlung, ihre Augen strahlen, sie wirkt gelöst, glücklich. Und ihre Stimme ist einzigartig. Ich habe schon zu ihr gesagt, falls ich jemals heiraten sollte, soll sie bitte auch dort auftreten. Und F hat gelacht und gesagt, no problem.
F und S haben noch eine Tochter, Fa (32). Sie lebt aber nicht mit uns zusammen, sondern mit ihrem Babysohn ein paar Straßen weiter. Wenn ich von der Arbeit komme, sitzt sie manchmal im Innenhof, wenn zusammen Mittag gegessen wird. Ich mag sie sehr. Sie sieht genauso aus wie S. Nur die weibliche Version. Unfassbar schön, mit einem extrem wissenden Blick. Ich hoffe, sie in den nächsten Monaten noch besser kennenlernen zu können. Ihr kleiner Sohn Su. lächelt mich inzwischen schon immer an, wenn er mich sieht. 
Und dann gibt es natürlich noch L. Wo fange ich da an. Ich habe mir Zeit meines Lebens einen großen Bruder gewünscht, und dieses Jahr, mit 26 Jahren, geht dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung. L hat diese warme Art, diese Vibes, mit denen du dich sofort wohlfühlst. Und so eine schöne Seele. Ich habe das Gefühl, dass er immer möchte (und das haben wir absolut gemeinsam) dass es allen um ihn herum gut geht. Aber er ist ein viel besserer Mensch als ich. 
„Ich mag dich,“ meinte er neulich zu mir, „Weil du auch immer lächelst und fröhlich bist.“ Und bei ihm kommt das genauso natürlich. 
Zum Beispiel frage ich ihn letzten Sonntag, ob mein Sonnenbrand sehr schlimm aussieht, ob ich sehr rot bin, und er sagt zu mir, Nein, du siehst schön aus. Und was für ein schönes Kleid du anhast. 
Ich gebe ihm oft mein selbstgemachtes Essen und meine Getränke zum probieren (weil wir hier einfach immer alles teilen) und ich merke, dass ihm manchmal etwas nicht schmeckt, er aber immer so tut, als sei es köstlich, aus Angst, meine Gefühle zu verletzen.
L zeigt mir in den ersten Wochen ein paar Ecken von Brikama und erklärt viel darüber, wie die Dinge hier laufen. Er beantwortet geduldig all meine Fragen und begleitet mich bei Gängen zum Markt, wenn ich Lebensmittel oder Stifte oder neue Schuhe brauche. (Auf lange Sicht ist es wirklich angenehmer, sowas als Frau hier nicht allein zu machen. Du kannst dir nichts in Ruhe anschauen, ohne von allen Seiten bequatscht zu werden…) Manchmal, wenn es mittags zu heiß ist, um draußen zu sein, liegen wir einfach im Wohnzimmer rum und schauen Filme. Wir reden viel, über triviale und ernste Dinge.
An einem Tag brauche ich einen Arzt und wir fahren den ganzen Tag in verschiedenen Bustaxis herum, 3 verschiedene Städte und Kliniken, bis ich endlich den Spezialisten gefunden habe, der mir helfen kann. Es herrschen 35 Grad, ich habe akute Beschwerden, und meine Anspannung geht bis unters Dach. Irgendwann habe ich wirklich Angst, dass L diese ganze Situation total abnervt, was ich auch absolut verstehen könnte. Aber er ist entspannt wie immer und macht Witze und erzählt Stories. Ich bin so dankbar. Das sage ich ihm auch, zwischendurch und mehrmals danach. Alleine hätte ich das alles definitiv nicht gemanaged.
Und L schüttelt nur den Kopf. „Das ist doch normal“ sagt er und schaut mich an, als würde ich etwas total absurdes sagen. „Dafür musst du dich bei mir nicht bedanken.“
Ich bin sehr dankbar, dass er da ist. Einfach wegen allem. Wenn ich ihn mal 2 Tage nicht sehe, weil wir beide unterwegs sind, fehlt er mir schon total. Und er sagt mir öfter dasselbe.
S ist neben F das unausgesprochene Familienoberhaupt. In manchen Hinsichten muss ich erst noch lernen, ihn zu verstehen. Gerade mit den neuen Regeln. Trotzdem weiß ich seinen Einsatz sehr zu schätzen. Er hat uns Freiwilligen bei der Verlängerung der Visa unterstützt und in den ersten Tagen wirklich sehr darauf geachtet, ob ich mich auch zuhause fühle.
S hat eine große Leidenschaft für Trommeln, welcher er auch selbst herstellt. (Er verkauft sie auf dem Craft Market in Brikama.) Wenn er davon erzählt, ist das richtig ansteckend. Und die Liebe, die er für seine Familie hat, ist nicht zu übersehen. Dasselbe bei F, auch wenn das alles hier so anders ausgedrückt wird, als ich es aus Deutschland kenne. Aber jeder Mensch hat ja auch seine eigene individuelle love language.
Ich könnte noch so viel mehr schreiben, aber ich muss auf den Markt gehen, weil ich einiges brauche, unter anderem Obst, das ich heute Abend in meinen Sator reintun möchte. Außerdem hat unsere Nachbarin und Freundin, die eine Tür weiter wohnt, gestern Abend entbunden, und ich werde jetzt das neue Baby begrüßen. 

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I have so much respect and love for these people, even though I've only known them for such a short time. For so many reasons. Each of them has unique beautiful features.

There is M, A's mother, who works so incredibly much and never complains. She often gets up before me in the morning to go to the hotel where she works as a cook (S also takes her to the bus every morning) and when she's finished there she goes to the restaurant for a few more hours, that she runs on the side. She usually takes A there with her so that they can at least have a little time together. Even though she has such a stressful everyday life and so little time for herself, M is a positive person and always has a kind word for me when we see each other. Her little son A is the cutest four-year-old imaginable. We understand each other even if we don't speak the same language. (A speaks mostly Mandinka at the moment.) Every day when I come home from work, he runs up to me and hugs me. It's so touching for me when I'm able to make him laugh, and I often try to come up with some kind of games for him with the limited options we have. One night I put all my cosmetic bottles on top of a bucket and have him aim oranges at it like throwing cans. A thinks it's great.

I'm always amazed at his intelligence and good upbringing. On another day, an extremely hot Sunday, he helps me do my laundry for at least 2 hours straight. By hand, of course. You won't find washing machines in most households here. In the evenings, when M is still working and A has fallen asleep on the couch, F regularly asks me to carry him over to the room and put him to bed because she can no longer lift that heavy.
F is an impressive woman. I admire her endlessly. I also think that if you have as much strength as F, you can't do it without a certain degree of hardness and severity. Anyway, F has it all. But once she smiles, that's everything to me. Despite health problems, she manages the entire household, helps M with A and still works part-time on many days. When I come home from work, she always has the food ready. I honestly think if I had days as long and hard as F, I would cry first thing in the morning. She can't just take a day off. But just like M, she doesn't complain, but pulls it off. When she lies on the couch in the evening and watches TV with me, I can see her exhaustion. Sometimes she asks me for painkillers. I'm happy to give it to her. I'm glad to be able to do something for them, apart from small household chores which I try to do for them. washing up. Fold laundry. Deal with A. But I feel like it's still for from being enough. 
F is a traditional singer. That means, she sings at weddings and numerous ceremonies for a little extra money. I've also been able to experience this once before. F and her sister, who is also a singer, dancing through the crowd, singing into megaphones. The guests give them donations. When F sings, her entire attitude changes, her eyes shine, she seems relaxed, happy. And her voice is unique. I've already told her that if I ever get married, I want to have her perform there too, please. And F laughed and said, no problem. 
F and S have another daughter, Fa (32). But she doesn't live with us, but with her baby son a few streets away. When I come home from work, she sometimes sits in the courtyard when we eat lunch together. I really like her. She looks exactly like S, only the female version. Very beautiful, with an extremely shrewd look. I hope to get to know her even better over the coming months. Her little son Su. always smiles at me when I come to greet him nowadays. 

And then of course there is L. Where do I start? I've wanted a big brother all my life and this year, at the age of 26, that wish finally did come true. L has this warm nature, these vibes that make you feel good immediately. And such a beautiful soul. I feel like he always wants (and we absolutely have that in common) for everyone around him to be okay. Just that he is so much better of a person than I am. 
"I like you," he told me the other day, "because you're always smiling and happy too." And with him, it comes just as naturally. For example, last Sunday I ask him if my sunburn looks very bad, if I look very red, and he says to me, no, you look beautiful. And what a nice dress you are wearing. 
I often give him my homemade food and drinks to try (because all of us always share everything here) and I notice that sometimes he doesn't like something but he always pretends it's delicious. I think he under no circumstances wants to hurt somebodys feelings.
L shows me a few corners of Brikama in the first few weeks and explains a lot about how things work here. He patiently answers all my questions and accompanies me on trips to the market, when I need groceries or pens or new shoes. (In the long run it's really more pleasant not to do something like this as a woman alone here. You can't look at anything in peace without being talked about from all sides...) Sometimes, when it's too hot to be outside in the middle of the day, we just hang around in the living room and watch movies. We talk a lot, about all kinds of things, trivial or serious.
One day I need a doctor and we drive around all day, in different bus taxis, 3 different cities and 3 different clinics, until I finally found the specialist who can help me. It's 35 degrees outside, I have actual complaints and my tension is up to the roof. At some point I'm really afraid that L will get totally fed up with this whole situation, which I could absolutely understand. But he's as relaxed as ever, cracking jokes and telling stories. I am so grateful. I tell him that too, in between and several times afterwards. I definitely wouldn't have managed it all on my own. 
And L just shakes his head. "That's normal," he says, looking at me as if I'm saying something totally absurd. "You don't have to thank me for that." 
I am very grateful that he is there. Simply because of everything. If I don't see him for 2 days because we're both busy, I miss him a lot. And he often tells me the same thing. 
S is, next to F, the unspoken head of the family. In some aspects I have yet to learn to understand him. Especially with the rules. Nonetheless, I really appreciate his efforts. He supported us volunteers in extending the visas and in the first few days he really made an effort to make sure that I feel at home. S has a great passion for drums, which he also makes himself. (He sells them at the Craft Market in Brikama.) When he talks about it, it's really contagious. And the love he has for his family cannot be ignored. The same with F, even if everything is expressed here so differently than I know it from Germany. But everyone has their own individual love language.
I could write so much more, but I have to go to the market because I need some things, including fruit, which I want to put in my Sator tonight. Also, our neighbor and friend who lives next door gave birth last night and I want to welcome the new baby.






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