Manchmal funktioniert es nicht (so, wie man es sich wünscht) // Sometimes it doesn't work (the way you want it to)
Trotzdem will ich gleichzeitig die Realität beibehalten. Und dazu zählt auch, finde ich, von den Challenges zu berichten. Denn die gibt es absolut. Auch wenn ich mein Leben hier noch so wertschätze. Für mich ist das wichtig, verschiedene Seiten zu beleuchten. Weil – das Leben ist ja auch nicht nur eine einzige Seite. Das Leben ist ein Spektrum, ein Kaleidoskop von Gefühlen und Ereignissen. (Ich versuche hier nicht, pseudo – philosophisch daherzureden, ich empfinde das tatsächlich einfach so.)
Als ich noch im Consultation – Office gearbeitet hatte (momentan, während ich das hier schreibe, bin ich in der hauseigenen HIV – Apotheke) redeten ich und mein Boss L.S. über Aufklärung über HIV/AIDS. Beziehungsweise erzählte er mir vom Mangel dessen. Vor allem unter Teenagern und jungen Erwachsenen. Warum ist das nach wie vor ein Problem, wollte ich von ihm wissen. Seine Antwort war, dass so ein Edukationsprojekt einfach viel kostet. Dass der Staat globale Founds erhält, aber das trotzdem im Gesundheitssystem nie genug ist. Und man deswegen an allem zu sparen versucht, was nicht als lebensnotwendig erachtet wird. Deshalb würden nicht genug Gelder zur Verfügung stehen, um die Edukation an Schulen regelmäßig durchzuführen.
L.S. sagt, dass diese Themen zwar in den Schulfächern Public Health oder Human Biology laut Lehrplan einmal behandelt werden, aber wohl nicht in jeder Schule und nicht ausreichend.
Vielleicht kann ich helfen, denke ich. Das ist so wichtig. So teuer kann es doch nicht sein? Ich suche das Gespräch mit unserem ärztlichen Direktor. Wie sich beim Reden herausstellt, ist es das aber doch. Mein kleines Erspartes würde nur für eine einmalige Durchführung an einer Schule reichen. (Ich möchte dafür das Geld verwenden, das ich für die Impfungen und die Tropenuntersuchung erstattet bekommen habe.)
Mir wird auch erklärt, warum: es gibt wohl viele Ausgaben die bedacht werden müssen.
Unter anderem:
- das Benzin, um zu der Schule zu fahren
- Geschenke, die die Kinder motivieren sollen, zuzuhören (Lineale, Stifte, Blöcke, Hefter)
- Wasser für alle
- kleine Spende für die Zeit der Personen, die beteiligt sind (Koordinator, Dr T, Freiwillige)
Ich hatte, zugegebenermaßen etwas naiv, gehofft dafür sorgen zu können, dass es mit meiner Hilfe vielleicht wieder regelmäßig stattfinden kann.
Aber ein Mal ist ja trotzdem besser als gar nichts. Ich möchte das machen. Ich sage also zu, und auch von Seiten der Leitung kommt das Okay. Dr T, die Ärztin, schickt mir eine Präsentation, die sie selbst mal gehalten hat, und sagt mir, daran könne ich mich grob orientieren. Trotzdem solle ich das meiste natürlich selbst entwerfen. „Du redest, okay, Jalika? Ich werde nichts sagen, ich bin nur im Hintergrund. Der Koordinator des HIV – Vorstandes wird uns kurz vorstellen, ein bisschen was erzählen, aber dann bist du in der Verantwortung.“
Ich soll nicht nur über HIV und AIDS reden, sondern vor allem auch über Geschlechtskrankheiten. Darüber gibt es laut Dr T auch zu wenig Wissen. Also splitte ich die Präsentation in zwei Teile und fange an, den Ablaufplan zu entwerfen. Freue mich wahnsinnig über diese Chance. Denke mir, dass das genau der Grund ist, warum ich hergekommen bin, um vor Ort zu helfen, um wirklich etwas zu tun und nicht nur zu beobachten. Ich erzähle jedem aus Deutschland, ob er es hören will oder auch nicht, von meiner Idee und der Umsetzung.
Dann kommt mir eine Lebensmittelunverträglichkeit dazwischen, die mich umhaut, und ich muss zwei Tage aussetzen. Dann kommt die neue Freiwillige, T, aus Deutschland angereist, und wir holen sie vom Flughafen ab. (Jetzt sind wir vollzählig, nach T kommt niemand mehr nach Gambia.) Danach kommt das Wochenende. Ich verbringe Zeit mit meinen Mitfreiwilligen auf dem Vereinsgrundstück, telefoniere ausgiebig mit meinen Eltern und fahre am Sonntag zusammen mit B nach Bakau, um mir eine Krokodilfarm anzuschauen.
(Die Krokodilfarm war übrigens großartig. Sie hatte ein kleines Museum, in dem sehr anschaulich und mit vielen Bildern und Materialien über die Geschichte Gambias berichtet wird. Außerdem hatten die Krokodile einen unglaublich großen Lebensraum ohne Käfige oder Zäune, in dem sie sich frei bewegen konnten, und man konnte sie streicheln. Ob ihnen das gefiel, war nicht sicher, da sie nach einer großen Portion Fisch zu schlafen schienen. Es gab sogar Baby – Krokodile mit einer Mutter, die einen eigenen Bereich hatten. Ich war wirklich entzückt und kann diesen Ort nur jedem empfehlen.)
Ich bin etwas in Verzug mit dem Mittelteil und Ende der Präsentation. Inhaltlich habe ich es tatsächlich unterschätzt. Außerdem fallen mir beim Arbeiten immer noch mehr Dinge ein, die ich wichtig zu sagen finde, rhetorische Fragen, Strategien, wie ich die Schüler dazu bringen könnte, am Ball zu bleiben. Am Montag widme ich meinen gesamten restlichen Tag nach der Arbeit der Vorbereitung. Ich leihe mir einige A3 Blätter bei T und suche in unserem Compound nach Pappe, weil ich gern Schilder basteln möchte. Ich werde aber nicht fündig. Also bitte ich meinen Gastvater um Hilfe. Es dauert eine Weile, bis ich ihm verständlich machen kann, was ich brauche, aber dann versteht er und wir ziehen zusammen los. Er wollte eigentlich gerade in die Moschee, „aber das hat natürlich Vorrang, Jalika!“ Er hat auch schon eine Idee, wo. S hat immer gute Ideen. Bei jenem befreundeten Schneider, der mir schon die Vorhänge und die Tischdecke genäht hat, liegt im Hinterhof ein großer Haufen alter Kartons. Ich krame in dem Haufen herum und suche nach geeigneten Stücken. Die Mitarbeiter der angrenzenden Silberschmied – Werkstatt beobachten mich und grinsen breit, in ihren Gesichtern tausend Fragezeichen. Es muss auch ziemlich absurd aussehen, was ich da mache.
Wieder zuhause mache ich mir einen starken Eiskaffee und kurz danach noch einen. Ich schreibe eine Karteikarten, einen Ablaufplan und gestalte meine Schilder. (Ein A3 Blatt auf ein Stück Pappe geklebt.) Auf jedes Schild schreibe ich in Druckbuchstaben die Geschlechtskrankheit, über die ich sprechen möchte, damit man sie auch ganz hinten im Klassenzimmer erkennen kann. Ich gebe den Buchstaben unterschiedliche Farben und Muster, damit es interessant und vielleicht etwas weniger bedrohlich aussieht. Außerdem zeichne ich noch eine Abbildung, die ich „Circle of Silence“ nenne, Kreislauf des Schweigens. Die Abbildung soll zeigen, warum es besser ist, sich jemandem anzuvertrauen, wenn man ein Problem hat, anstatt zu schweigen und keine Hilfe erhalten zu können. Ich weiß ja inzwischen aus eigener Erfahrung, dass Geschlechtskrankheiten ein großes Tabuthema und immer noch sehr mit Scham behaftet ist, noch viel mehr als in Deutschland. Aber ich möchte gern demonstrieren, dass man mit Schweigen in bestimmten Fällen alles noch schlimmer machen kann. Zum Beispiel, wenn man Symptome jeglicher Art verspürt und aus Angst und aus Scham nicht ins Health Center geht.
Irgendwann bin ich umgeben von Papier- und Pappschnipseln, Stiften und Notizen. Ich sitze schon so lange, dass ich meine Beine kaum mehr spüre. A kommt gegen 18 Uhr in mein Zimmer.
Ich musste ihm heute schweren Herzens sagen, dass er draußen bleiben muss, solange ich arbeite, weil ich absolute Konzentration brauche. Sonst spielen wir meistens irgendwas oder schauen ein Buch an. A inspiziert meine gemalten Schilder in einer Ecke. „Wooow“ sagt er fasziniert und klatscht in seine winzigen Hände. Dann geht er zu mir, umarmt mich und gibt mir einen Kuss. Ein bisschen Anspannung fällt von mir ab. A ist unfassbar emphatisch für den Fakt, dass er erst 5 Jahre alt ist. Das merke ich im Alltag immer wieder. Meine beiden Freiwilligen – Kollegen A und T aus Deutschland kommen nochmal vorbei, damit ich ihnen die Präsentation als Probedurchlauf halten kann. Jeder von ihnen kriegt ein Blatt Papier und soll sich Notizen machen, wenn ihnen irgendetwas unverständliches auffällt. A und T sind sehr hilfreich und an dieser Stelle will ich mich auch nochmal bei beiden bedanken. Später telefoniere ich nochmal mit meinem Stiefvater, der selbst seit Jahrzehnten als Moderator arbeitet, um mir ein paar Tipps zu holen, und schreibe alles im Schein der Straßenlaterne mit, während sich die Moskitos auf meine Beine und Knöchel stürzen. (In meinem Haus kann man nicht telefonieren, es gibt keinen Empfang.)
Irgendwann gegen Mitternacht gehe ich ins Bett und kann bis zwei Uhr Nachts nicht schlafen, weil ich nervös bin. Okay, vielleicht auf wegen der Riesendosis Koffein, die ich mir nachmittags zu Gemüte geführt habe.
Ich hoffe so sehr, dass ich mich verständlich ausdrücken kann und die Schüler Lust haben, mir zuzuhören. Es gibt ja nur diese eine Chance, es richtig zu machen, es gut hinzubekommen. Danach wird nichts mehr kommen. (Zumindest laut aktuellem Stand der Dinge.)
Ich versuche es mit positiven Glaubenssätzen, während ich so daliege, aber wie immer, wenn ich so etwas versuche, fühle ich mich nur unweigerlich selbstbewusster.
Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, dusche, flechte meine Haare und trage Make – Up auf. S und ich laufen zur Arbeit und er wünscht mir viel Erfolg. Ich komme im Krankenhaus an, trage mich ein und lese meine Karteikarten, bis es Zeit für das Eligibility – Meeting ist. (Eligibility – Meeting bedeutet, dass sich die Mitarbeiter von Hands on Care alle zwei Wochen in einem Raum zusammensetzen und über jene Patienten sprechen, die sich in diesem Zeitraum bei uns getestet und registriert haben. L.S. ist derjenige, der die neuen Patientenakten vorstellt. Dazu gehört auch, ob sie die Diagnose akzeptieren oder noch in der Verleugnungsphase verweilen, ob sie versprochen haben, die Kinder und Ehefrauen hierher zu bringen, damit diese sich auch testen lassen, wie groß die Gefahr ist, dass niemand wiederkommen wird.)
Normalerweise finde ich das Meeting sehr interessant, ich durfte dort vor ein paar Wochen auch schon einmal selbst Patienten vorstellen, zusammen mit L.S. Das fand ich toll. Aber heute fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren, und ich lese lieber meine Karteikarten. Ich weiß eigentlich genau, was ich sagen will, aber habe Angst, später vielleicht einen Blackout zu erleben.
Gegen Ende des Meetings ruft der Koordinator an und Dr T sagt mir, dass es Zeit ist, sich auf den Weg zu machen. Wir nehmen noch zwei andere Freiwillige von Hands on Care mit, damit sie sich das anschauen können, meine Kollegen H und A. Dann steigen alle wir in Dr T‘s Auto und machen uns auf den Weg nach Gunjur, wo die Oberschule ist, in der die Präsentation stattfinden soll.
Was ich mir gewünscht hätte, das dann passierte:
Wir kommen an der Schule an. Meine Kollegen stellen mich dem Direktor vor und erklären, dass ich dieses Projekt initiiert habe. Wir betreten den Klassenraum, in dem wie versprochen ein Projektor steht, mit dem ich später Bilder zeigen kann. Der HIV – Koordinator macht wie versprochen den Anfang, stellt die Hands on Care – Klinik und die Mitarbeiter vor und erklärt allen, was wir hier machen. Dann darf ich übernehmen und meine Präsentation so halten, wie ich sie geplant hatte. Ich komme gut voran und behalte meinen Ablauf bei. Ich zeige Bilder und Schilder und die Schüler können verstehen, worum es geht. Wenn etwas unklar ist, schalten sich meine Kollegen kurz ein und wiederholen etwas in der lokalen Sprache, ansonsten darf ich hauptsächlich allein sprechen. Nach dem Vortrag über Geschlechtskrankheiten gebe ich den Schülern eine Pause, weil das ja viel Input war, und nach der Pause mache ich wie geplant weiter mit dem Thema HIV und AIDS. Am Ende stelle ich die Fragen zum Verständnis, die ich zuhause vorbereitet habe, die Schüler können sie beantworten und bekommen dann ihre Preise. Dann verabschieden wir uns von den Schülern und vom Direktor und fahren alle zufrieden zurück nach Brikama. Dr T und der Koordinator geben mir später ein Feedback, was gut war und was ich noch verbessern könnte. Dann bedanken wir uns alle beieinander und wir verabschieden uns und jeder geht seiner Wege.
Was wirklich passierte:
Wir kommen an der Schule an. Dr T und der Koordinator sprechen mit dem Direktor, ich und die anderen Freiwilligen stehen im Hintergrund. Keiner stellt mich vor. Ich bin verunsichert, ob ich selbst zum Direktor gehen sollte, um mich vorzustellen. Ich hätte mir gewünscht, dass er wüsste, dass ich dieses Projekt initiiert habe. Aber ich mache mir auch Sorgen, ob das vielleicht arrogant herüberkommen würde. Also lasse ich es sein. Der Direktor teilt uns mit, dass wir in die große Halle gehen. Kein Klassenraum, also auch kein Projektor, und ein viel größerer Raum, zu dem ich sprechen muss. Egal, ich kann ja flexibel sein, denke ich mir. Tatsächlich sitzen schon 75 Schüler in der Halle. Das finde ich wiederum eigentlich auch super. Je mehr Schüler zuhören, desto höher ist ja auch die Chance, dass sie ihr Wissen an mehr Menschen weiterverbreiten können.
Wir setzen uns und der Koordinator stellt uns vor und erklärt den Schülern, dass ich den ganzen Weg aus Deutschland gekommen bin, um hier zu helfen, und dass ich der Grund bin, warum wir heute alle hier sind. Ich freue mich darüber, das hatte ich mir ja gewünscht. Dann redet der Koordinator eine ganze Weile weiter und fängt dann an, über HIV und AIDS zu sprechen. Es vergeht sehr viel Zeit. Vieles davon, was ich dazu auf meinen Karteikarten vorbereitet habe, wird bereits gesagt. Ich bin verwirrt. So war das nicht abgesprochen. Ich schaue Dr T an, aber sie kann es sich scheinbar auch nicht erklären. Vielleicht wusste der Koordinator nicht Bescheid, denke ich. Ich fange an, meine Karteikarten zum Thema HIV und AIDS auszusortieren. Ich muss ja nicht alles zweimal sagen. Dadurch ist aber der ganze Ablauf, den ich geplant hatte, nicht mehr so wie vorher. Ich schaue die Schüler an und mache mir Sorgen, dass sie sich vielleicht nachher, wenn ich dran bin, nicht mehr konzentrieren können. Wann auch immer das sein wird. Außerdem sehe ich, dass meine Kollegen, die Freiwilligen, am Handy sind. „Bitte, könnt ihr eure Handys weglegen?“ flüstere ich ihnen zu. „Wir setzen doch so absolut kein gutes Beispiel für die Schüler.“
Ich finde, dass wir so den Eindruck vermitteln, dass es okay wäre, während einer Präsentation am Handy zu sein. Auch wenn ich selbst niemanden belehren oder zurechtweisen möchte, das liegt mir extrem fern.
Meine Kollegen schauen mich mit Unverständnis in den Augen an, legen die Handys aber weg. Dafür bin ich dankbar. Vielleicht kann ich es später noch besser erklären.
Der Koordinator redet so lange, bis die große Pause schließlich anbricht. Die Schüler schwärmen aus, um ihr Mittagessen einzunehmen. Dr T und der Koordinator beraten sich, ich sitze da und fühle mich etwas verloren.
Nach der Pause kann ich loslegen. Ich bemühe mich, laut und langsam genug zu sprechen, damit mich alle verstehen, aber vielleicht habe ich manche Erklärungen zu kompliziert formuliert. Ich habe das Gefühl, dass manche Schüler verwirrt sind. Manchmal fragte Dr T die Schüler, ob sie das eben gesagte verstanden hätten, und sie schütteln den Kopf. Dann erklärt sie für mich nochmal. Manchmal klinkt sich auch der Koordinator ein, schweift dann aber ab und redet wieder für 5 Minuten, während ich warte, da wieder anzusetzen, wo ich aufgehört habe. Manchmal habe ich dann den Faden verloren. Ich kenne mich mit dem Thema gut aus, und auch mein Englisch ist eigentlich gut genug, aber im Nachhinein weiß ich auch, dass das Englisch, das hier in den Schulen gesprochen wird, ganz anders ist als das in anderen Ländern, anders als ich es gelernt habe.
Während ich rede, unterhalten sich meine Mitarbeiter neben mir einmal über einen längeren Zeitraum miteinander. Ich schaue zu ihnen und frage, ob es ein Problem gibt oder irgendetwas unklar ist. „Nein, nein“ sagen sie. Ich solle einfach weitermachen. Das fällt mir schwer, wenn ich von einer Seite einen Geräuschpegel empfange, wie ich merke. Ich versuche trotzdem mein Bestes. Zwischendrin geht jemand von den Kollegen auch ans Telefon.
Ich bin das nicht gewohnt und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Merke selbst, dass ich nicht mehr gut präsentieren kann. Zum Glück neigt sich meine Präsentation auch dem Ende zu. Die Schüler ihrerseits sind total süß und verhalten sich alle großartig. Sie hören aufmerksam zu, keiner stört, und sie bemühen sich trotz der Sprachbarriere augenscheinlich, mich zu verstehen. Viele machen sich während der Präsentation Notizen in ihren neuen Heften, mit ihren neuen Stiften, die wir am Anfang verteilt haben. Genau deswegen bin ich enttäuscht von mir selbst, dass ich das hier nicht besser hinkriegen kann. Am Ende stelle ich die vorbereiteten Fragen und die Schüler können sie gut beantworten. Dann sagt Dr T überraschenderweise: „Jetzt dürfen unsere anderen Freiwilligen die Präsentation ergänzen.“
Das war ebenfalls nicht abgesprochen. Hätte ich gewusst, dass Dr T sich das gewünscht hatte, hätte ich meine Freiwilligen – Kollegen selbstverständlich von Anfang an mit einbezogen und ihnen Teile meiner Präsentation gern überlassen. Das hätte ich unterstützt, aber es wurde ja so kommuniziert, dass nur ich allein sprechen sollte.
Die Freiwilligen ergänzen also, was sie noch sagen möchten. Sie machen das auch wirklich toll. Danach sagt der Koordinator zu ihnen, wie beeindruckt er ist und dass beide unglaublich seien. Da stimme ich ihm zu. Aber ich bekomme leider kein Feedback. Ich denke mir, dass wir uns vielleicht noch einmal zusammen setzen, wenn wir zurück in Brikama sind.
Eine Schülerin kommt und überreicht sowohl mir als auch Dr T ein winziges Kärtchen, auf dem ein total schönes Bild von zwei Flamingos mit goldenen Herzen zu sehen ist und in dem „Thank you“ steht. Das finde ich sehr berührend. Wir machen noch Gruppenfotos, verabschieden uns vom Direktor (der nach wie vor nicht weiß, wer ich bin) und fahren zurück nach Brikama. Zurück auf dem Krankenhausgelände steigen wir aus und die anderen wünschen mir einen schönen Tag und jeder geht seiner Wege. Spätestens jetzt würde ich am liebsten in Tränen ausbrechen. Ich frage mich, ob meine Präsentation so dermaßen schlecht war, dass man lieber überhaupt nichts dazu sagen sollte. Und ich traue mich leider nicht, auch nicht in den nächsten Tagen, diese Frage zu stellen. Es wäre besser, ich könnte das einfach machen, aber ich schaffe es nicht.
Ich selbst weiß eigentlich, was ich empfinde: ich empfinde es selbst so, dass meine Präsentation nicht unfassbar schlecht war. Ich habe sehr viel Zeit und Mühe investiert und richtige Fakten vorgetragen. Vielleicht herrscht hier nicht so eine Feedback – Kultur wie dort, wo ich herkomme. Vielleicht liegt darauf nicht der Fokus. Ich möchte auch gar nicht, dass die Menschen mich übermäßig loben oder sich bei mir bedanken. Ich hätte nur gern irgendetwas gehört. Die Stille irritiert mich.
Ich laufe langsam in der sengenden Hitze nach Hause und nehme dort erstmal eine kalte Dusche. Den Rest des Tages liege ich auf der Couch und lese, weil ich mich nicht in der Lage fühle, mehr als das zu tun. A und T kommen nach ihrer Arbeit vorbei und wir werten das ganze nochmal aus. (Nochmal Danke an euch beide.) Ich bin sehr froh, mich aussprechen zu können.
Am nächsten Tag fühle ich mich immer noch nicht so gut. Ich lade ein paar Bilder hoch, weil mich viele Menschen fragen, wie alles gelaufen ist und ich gerne zumindest etwas zeigen möchte. Ich bekomme auch sehr liebe und ermutigenden Nachrichten, sowohl von meinen Kontakten aus Deutschland als auch aus Gambia hier. B sagt mir, dass er stolz auf mich wäre. Das alles weiß ich zu schätzen, aber fühle mich trotzdem, als wären Komplimente nicht angebracht, weil ich irgendwie versagt habe.
Ich beschließe, zum Strand in Gunjur zu fahren, weil ich etwas Zeit für mich brauche. Heute kann ich es sehr schwer aushalten, dass mich die Menschen auf der Marktstraße wie immer lautstark ansprechen, Zischlaute von sich geben und mir teilweise ihre Ware ins Gesicht halten. Ich möchte aber auch nicht aggressiv zu den Menschen sein. Sie können nichts für meine Stimmung und meinen körperlichen Zustand. Ich flüchte ins Bustaxi und fahre nach Gunjur.
Am Strand angekommen, hole ich mir meinen Kaffee, suche mir einen schönen Platz und gehe erstmal schwimmen. Nachdem ich mich abgekühlt habe, liege ich im Schatten und lese mein Buch. Merke, wie krass ich das gebraucht habe. Und das Loperamid fängt dem Himmel sei Dank an zu wirken.
Später kommen sogar noch zwei meiner Mitfreiwilligen, die in Gunjur leben, ohne dass wir uns abgesprochen hätten. Noch etwas später kommen Freunde von uns, E und H. Ich bleibe für mich und alle haben zum Glück Verständnis dafür. Gegen sechs packe ich zusammen, weil ich weiß, dass S sich sonst wieder große Sorgen macht, wenn ich zurück nach Brikama komme und es schon spät ist. Ich und E und H teilen uns das Taxi zurück und machen Pläne fürs Wochenende. E macht unfassbar gern Pläne, seit ich ihn kenne, und er macht immer die tollsten Pläne von allen. Manchmal klappen sie, manchmal auch nicht. „Am Freitag kannst du dich ausruhen, am Samstag trinken wir schön Ataya, * dann gehen wir zu H‘s Garten, und wenn wir es schaffen, können wir danach noch zum Strand. Und dann machen wir Seafood zum Abendessen, du magst doch Seafood so gern, und dann nachts fahren wir nach Senegambia* in den Club.“ Und zum Abschied nimmt er mich lange in den Arm und ich bin wieder sehr viel mehr in Frieden mit mir und mit der Welt.
Ich denke trotzdem, dass es wichtig und richtig war, das Projekt zu machen, trotz allem. Für die Schüler, und auch für mich. Ich hatte den Wunsch mich einzubringen und habe das dann durchgezogen. Man konnte dieses Ergebnis vorher nicht voraussehen. Ich kann aus dieser Erfahrung definitiv mitnehmen, mich nicht nur darauf zu verlassen, was eine einzelne Person mir sagt, sondern mit allen Beteiligten mehr in einen Dialog zu treten, mich von allen Seiten abzusichern. Und vielleicht schaffe ich es nächstes Mal, falls es nochmal ein nächstes Mal geben sollte, mehr für mich einzustehen. Auch wenn ich denke, dass es für alle Beteiligten vielleicht am günstigsten wäre, nicht noch einmal in dieser Konstellation zusammenzuarbeiten. Aber irgendwie habe ich so ein Gefühl, dass es das noch nicht war mit dieser Art Projekt. Ich habe mir im Nachhinein mit den anderen Freiwilligen noch einmal die Ausgabenliste angeschaut und wir haben auch gesehen, dass man einiges an dem Preis deutlich reduzieren könnte. Vielleicht schaffe ich es, noch einmal so etwas durchzuführen, zu meinen eigenen Bedingungen. Ich müsste nur am Ball bleiben und weiterhin Kontakte knüpfen und schauen, was möglich ist. Ein Anliegen wäre es mir auf jeden Fall. Und zum Glück habe ich ja auch noch 6 einhalb Monate Zeit hier.
Manchmal denke ich mir: mein Gott, nur noch 6 einhalb Monate. Wirklich. Ich weiß nicht, wo diese Zeit hin ist.
Nevertheless, I want to keep it real. And that also includes, I think, talking about the challenges. Because there absolutely are challenges. Even though I value my life here so much. It's important to me to shed light on different sides. Because life isn't just one-sided. Life is a spectrum, a kaleidoscope of feelings and events. (I'm not trying to be pseudo-philosophical here, I just actually feel that way.)
What I wished for happening:
We arrive at the school. My colleagues introduce me to the director and explain that I am the one who initiated this project. We enter the classroom where, as promised, there is a projector that I can use to show pictures later. As planned, the HIV coordinator starts things off, introduces the Hands on Care clinic and the staff and explains to everyone what we are doing here. Then I can take over and give my presentation. I'm making good progress and sticking to my routine. I show pictures and signs and the students can understand what it is about. If something is unclear, my colleagues intervene briefly and repeat something in the local language, otherwise I am mostly allowed to speak on my own. After the lecture on STDs, I give the students a break because that was a lot of input, and after the break I continue with the topic of HIV and AIDS as planned. At the end I ask the comprehension questions that I prepared at home, the students can answer them and then they get their prizes. Later we say goodbye to the students and the director and we all drive back to Brikama satisfied. Dr T and the coordinator give me feedback later on what was good and on what I could improve. Then we all thank each other and say goodbye and everyone goes their own way.
I still think it was important and right to do the project, despite everything. For the students and also for me. I wanted to get involved and I did it. One could not foresee this result beforehand. What I can definitely take away from this experience is that I don't just rely on what a single person tells me, but rather enter into a dialogue with everyone involved, to protect myself from all sides. And maybe next time, if there's a next time, I'll be able to stand up for myself more. Even if I think that it might be best for everyone involved not to work together again in this constellation again. But somehow I have a feeling that it wasn't the last time this kind of project happened. Afterwards, I looked at the list of expenses again with the other volunteers and we also saw that some of the price could be significantly reduced. Maybe I can do something like this again, on my own terms. I would just have to stay on the ball and keep networking and see what's possible. It would definitely be a wish of mine.
And fortunately I still have 6 and a half months here. Sometimes I think to myself: my God, only 6 and a half months. Really. I don't know where this time has gone.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen