Arokey

Deutscher Name: Laura K.
In Gambia seit dem 30.09.2022
Projektstelle: Tarud Pre School (Vorschule)
Wohnort: Gunjur

Laura K. und ich haben uns an meinem zweiten Abend in Gambia das erste Mal getroffen. Ava, Laura P., Ich, E und sein bester Freund M waren auf den Weg in einen Reggae - Club (für mich das erste Mal in meinem Leben) und sammelten Laura K. unterwegs mit den Auto ein. Dieser Abend war alles in allem total chaotisch und viele Dinge passierten, die ich nicht verstand. 
Auf jeden Fall kamen wir damals nicht ins Gespräch - es war auch bei weitem zu laut dafür auf der Party.
Später, in gemeinsamen Wochenenden auf dem Vereinsgrundstück (zu der Zeit, als ich noch regelmäßig dort war) lernte ich Laura K dann richtig kennen. Mir fiel gleich auf, wie viel Energie und Charisma sie hatte. Wie scharfsinnig sie ist, wie witzig. Ich weiß Menschen mit ausgeprägtem Sinn für Sarkasmus absolut zu schätzen. Wir haben oft zusammen gelacht, seit wir uns kennen, und das war gerade in Phasen, in denen ich Schwierigkeiten hatte, sehr schön. 
Außerdem konnte man immer deutlich beobachten, was für eine besondere Freundschaft Laura K. und Laura P. verbindet, und das war immer wirklich angenehm zu sehen. 
Ich finde Laura K. wahnsinnig authentisch in ihrem Gefühlen und Ansichten, und ich habe das Gefühl, sie würde nie irgendeine Show abziehen, um etwas davon zu haben oder anderen zu gefallen. Und das bewundere ich sehr. Dazu gehört einiges. Ich sehe sehr viel Passion für die Dinge, die ihr wichtig sind oder die sie bewegen. Und ich hoffe, diese Eigenschaften kann sie überall mit hin nehmen und beibehalten.  

Danke, dass du Teil unserer Gruppe bist. 

(Wir sitzen auf dem Vereinsgrundstück, die Kinder kreischen immer noch im Hintergrund, die Bäume rauschen im Wind, in der Nähe sitzt inzwischen eine Gruppe von Männern, die sich unterhalten und Ataya trinken.) 

Ich: "Okay, let's go, welcome. Interview mit Laura K."
Ich: "Also, Laura, danke, dass du an dem Interview teilnimmst..."
L: "Bin ein bisschen aufgeregt." 
Ich: "Ja?"
(Wir lachen.) 
L: "Ja, das ist so serious hier alles."
Ich: "Ja, sehr serious, sehr professionell. Nur die Kinder stören." 
Notiz: Ich sage das mit liebevollem Unterton, ich mag die Kinder. Sie sind nur sehr laut heute.) 
Ich: "Okay, ich bin gespannt auf deine drei Dinge, für die du hier dankbar bist."
L: "Ich habe nicht direkt drei Dinge, sondern drei Kategorien. Ich habe einmal...Laura P.." 
Ich: "Oh, wie süß, Laura P. hat dich auch genannt." 
L:"Nein!"
(Wir lachen.) 
L: "Laura. Und dann habe ich insgesamt meine Gastfamilie, meine Gast - Tante, vor allem auch meine Gast - Cousine, und die Leute, die Freunde, die wir im Fitnessstudio kennengelernt haben, das ist inzwischen echt eine coole Community, und wir haben immer sehr viel Spaß. Die haben uns richtig toll aufgenommen, und das war für mich und Laura P. beide so eine Art Normalität, Rhythmus, Routine...und dann Benna Kunda (Name des Vereinsgrundstücks) Wir wohnen echt nah an Benna Kunda, und wir genießen einfach jeden Tag, den wir hier sind. Es ist eine wunderschöne Umgebung, wir sind hier auch einfach mal unter uns, und das genieße ich sehr. Der dritte Punkt ist die Natur, und an sich die Umgebung. Ich gehe sehr sehr gerne joggen hier, und ich entdecke wirklich immer neue Wege. Ich bin zum Beispiel gestern und vorgestern wieder joggen gewesen, und war auf einmal plötzlich in einem Palmenwald..."
Ich: "Oh, wie schön."
L: "Dann war ich irgendwie am Strand. Dann war ich gefühlt im Urwald, auf so einem Mini - Trampelpfad, dann war ich in einem Mangowald, das war total wild... Es gibt hier so viele Wege, verwinkelte Pfade, das ist so schön. Das werde ich auch total vermissen. Und auch nachts der Sternenhimmel, der haut mich immer wieder um..."
Ich: "Oh ja, hier auf jeden Fall. In Brikama nicht so, aber hier..." 
L: "Ist total krass. Auf jeden Fall, ja, das sind meine drei Dinge." 
Ich: "Okay. Drei Dinge, die du hier oft denkst."
L: "Fuck, ist das heiß hier. Dann: ich vermisse Käse." 
Ich: "Oh, mein Gott, ja, ich auch." (Das ist wirklich auch etwas, das ich hier jeden einzelnen Tag denke.) 
L: "Und dann...das ist jetzt ein bisschen deeper, aber, die Welt ist unfair. Weil... ganz oft vergleiche ich mich schon mit meinen Freunden hier, oder Arbeitskollegen hier, wenn man überlegt, gerade wenn man Themen hat wie reisen, oder dieser Aufenthalt hier, darüber spricht man ja schon. Ich meine, das ist irgendwie unausweichlich und auch normal und okay und schön, das man sich darüber austauscht, aber da vergleicht man schon auch oft die Möglichkeiten, die man selbst hat... Und die Leute hier, oder eben meine eigene Umgebung hier, die wenigsten haben solche Möglichkeiten. Also, man denkt halt schon darüber nach...wie privilegiert man dann doch ist. Natürlich weiß man das. Immer: Ja, ich weiß, ich bin privilegiert. Aber wenn man hier ist, dann sieht man das wirklich. Und man hat Personen zum Vergleichen und nicht einfach nur...irgendein Land. Verstehst du."
Ich: "Ja."
L: "Man kann einfach in Deutschland sagen, ja, Leute aus Gambia sind nicht so privilegiert wie wir - das ist Fakt. Aber es ist nochmal krasser, wenn du Personen hast. Wenn du sagst, meine Freundin hier...die toll ist, die eigentlich genau das gleiche macht wie ich, aber ich habe so viel mehr Möglichkeiten als sie. Und das ist einfach unfair. Und das denke ich mir ganz oft."
Ich: "Ja. Total. Und wie viele intelligente Personen es hier gibt, die einfach keine Jobs finden, weil es keine Jobs gibt..."
L: "Genau. Sowas."
Ich: "Und wir sagen, oh, heute habe ich keine Lust, heute habe ich keinen Bock..."
L: "Richtig."
Ich: "Ja, kann ich voll verstehen." 
Ich: "Okay...die drei Dinge, die du hier oft sagst." 
L: "Domanding, domanding*... weil alles in Gambia  ist einfach ein Stück langsamer, und das habe ich hier auch gelernt, zu warten, geduldig zu sein, einfach so ein bisschen, go with the flow, weißt du. Dann... das sind so triviale Dinge, aber: I'm fine, and you? Weil jeder dich hier fragt, how are you, how are you? Und dann sage ich immer: fine, and you?" 
Ich: "Hm - hm. Manchmal mit so Abweichungen: I'm good, I'm okay, I'm managing... aber meistens I'm fine." 
L: "Aber meistens einfach irgendwie sowas, Vor allem zu den Kids, weil das verstehen die." 
(Es kommt sehr selten vor, dass jüngere Kinder besonders gut Englisch sprechen. Zuhause wird ausschließlich Mandinka gesprochen, die englische Sprache wird erst nach und nach in der Schulzeit an die Kinder herangeführt. Und wie das voranschreitet, kommt auch immer auf die Schule an und auf die Bereitschaft der Kinder, es zu sprechen.
L: "Und dann: do you have Njebe*? Weil ich hier gemerkt habe, dass ich Bohnen liebe."
Ich: "Wirklich."
L: "Ich habe in Deutschland nie Bohnen gegessen." 
Ich: "Stimmt, du bist richtig Bohnen - obsessed." 
L: "Ich habe sogar früher die Kidney - Bohnen aus der Chili con Carne aussortiert. Und jetzt liebe ich Bohnen so krass."
Ich: "Crazy, okay. Sehr schön. Das sind doch positive Sachen." 
(Wir lachen.)
Ich: "Okay, drei Personen, die dich hier am meisten inspiriert haben."
L: "Fällt mir wirklich schwer, drei Personen auszuwählen. Ich hoffe, das ist okay, dass ich das wieder so in Kategorien habe. Ich habe, insgesamt, viele starke Frauen...also, zum Beispiel F aus unserem Seminar. 
Dann, unglaublich viele meiner Lehrer. Also, wenn ich mitbekomme, meine Lehrerin hat ein kleines Kind zuhause, die stillt noch, dann muss sie daheim kochen, Wäsche waschen von sich, ihrem Mann, und ihrem Kind, und sie geht auch noch zur Schule (gemeint ist eine Schule für Weiterbildungen) und ist Lehrerin, wow. Also, ich würd's nicht packen...und das finde ich alles immer wieder inspirierend. Oder teilweise kriege ich von meinen Lehrern auch sehr tragische Geschichten mit, Fehlgeburten, Schicksalsschläge, und die müssen einfach weitermachen, als wäre nichts." 
Ich: "Und funktionieren."
L: "Und funktionieren. Und das finde ich unglaublich krass, und ich finde, vor allem in diesem Land kriegen Frauen viel zu wenig Wertschätzung." 
Ich: "Du kannst dir auch nicht einfach mal drei Tage eine Auszeit nehmen." 
L: "Nee, das geht ja gar nicht. Und ich denke mir jedes Mal, wow, Respekt. Also, allein ein Kind und Arbeit, da denke ich mir...powerful."
Ich: "Absolut."
L: "Zum Beispiel auch...also, eigentlich wirklich alle Frauen! (Lacht.) Auch B. Wie viel sie macht, und ihr Engagement, oder auch zum Beispiel A von TGA*, die Arbeitskollegin von Theresa und Ava. Was ich von ihr so mitbekommen habe.

Und dann auch meine Mitfreiwilligen. Ich finde, wir sind alle total unterschiedlich, und sind auch über die unterschiedlichsten Wege und unterschiedlichsten Hintergründe, Inspirationen und eben Motivationen hierher gekommen. Und jeder hat seine eigene kleine Geschichte. Und ich finde, wir können sehr viel voneinander lernen, und ich finde das sehr inspirierend, auf jeden Fall."
Ich: "Finde ich auch. Krass, dass du das sagst, ich denk mir immer, jeder ist so eine unterschiedliche Persönlichkeit, ich würde von keinem sagen, derjenige ist eher so wie der und der..."
L: "Nein."
L. "Also, das Ding ist zum Beispiel auch, Laura und ich, wir sind von Grund auf so verschieden, das sagen wir auch immer wieder, wir sind so unterschiedlich, und trotzdem, ist sie eine der wichtigsten Personen gerade in meinem Leben. Und ich bin mir sehr sicher, oder ich hoffe doch zumindest, dass wir jetzt unser Leben lang befreundet sein werden, denn wir haben so viel erlebt, wir sind seit zehn Monaten hier zusammen, wir hatten die ersten Monate wirklich NUR uns, und das hat so geprägt..."
Ich: "Ich glaub schon, dass ihr euer Leben lang befreundet sein werdet. Bis ins Altersheim."
L: "Das hat uns so geprägt, und man hat wirklich so viel voneinander gelernt, und das war...nein, das war schon sehr inspirierend."
Ich: "Fühle ich auch. Und auch so Sachen, die einer von euch gesagt hat, irgendwann mal, zu irgendwelchen Situationen, auch Sachen, wo wir uns uneinig waren, aber, wo ich noch so drüber nachdenke, wo ich mir denke, ja! Das hat mich voll weitergebracht."
L: "Ja, dadurch, dass wir auch so unterschiedlich sind, hat jeder so unterschiedliche Aspekte, die er zu einer Diskussion, zu einer Debatte, zu einem Thema einbringen kann. Und dadurch entsteht so eine Meinungsvielfalt, und das ist einfach toll. Austausch ist toll."
Ich: "Ja, finde ich auch! Okay...und die Dinge, die du mitnehmen möchtest."
L: "Mehr Dankbarkeit für mein Leben, das ich in Deutschland führe, und Möglichkeiten, die ich habe, einfach aktiv zu nutzen. Also, ich habe die Möglichkeit, zu reisen, wohin ich möchte, ich hab die Möglichkeit, und das Bewusstsein, das nicht jeder das hat, und das Bewusstsein dafür, ich hab diese Chance, das ist keine natürliche Gegebenheit, das ist eine Chance, die ich habe, und diese Chance zu nutzen. So etwas. Und auch einfach, mehr Dankbarkeit für Kleinigkeiten. Finde ich ganz wichtig, und ich glaube, das nehme ich mit. Und dann...(lacht) so ein bisschen der Grundsatz, ich habe ein Jahr in Gambia gelebt, ich schaffe es wirklich überall...
Und jetzt nicht so vom Ding her, das sind hier Zustände, das meine ich gar nicht. Aber ich meine das eher so im Sinne von, ich hab mich mehr oder weniger alleine auf dieses Abenteuer hier begeben, und da gehört schon ein bisschen was dazu, und einfach das Bewusstsein dafür, dass du sagst, hey, ich schaff das. Und einfach mehr Selbstsicherheit zu haben, wie ich mich präsentiere, wie ich Dinge in die Hand nehme, wie ich Chancen ergreife, und nicht gleich vor etwas zurückzuschrecken, wenn ich denke, Nein, vielleicht wird mir das zu viel, zu fremd, zu unbekannt, habe ich Angst vor, mache ich nicht. Einfach zu sagen: ich war ein Jahr in Gambia, ich mache das hier jetzt auch."
L: "Und dann noch Domoda. Ich liebe es einfach. Was soll ich sagen."
Ich: "Willst du zuhause auch kochen?"
L: "Auf jeden Fall." 
Ich: "Okay, vielen Dank für das Interview! Ich freue mich schon auf alles, was noch kommt."
L: "Da bin ich auch gespannt." 

*Domanding domanding: langsam, langsam oder auch in manchen Kontexten ein bisschen (in Mandinka, ungefähre Übersetzung)
*Njebe: gambisches Bohnen - Gericht, kann man so oder im Sandwich essen. Ist mir persönlich meistens zu mächtig. 
*TGA: the girl's agenda, eine women-empowerment-agency, also ein Verein, der darauf hinzielt, lokale Frauen aufzuklären und zu unterstützen. Avas und Theresas Projektstelle. 
Eine Non - Profit - Organisation, von Frauen gegründet, die alle selbst mindestens einmal in ihrem Leben unter beispielsweise Gewalt, Unterdrückung und Diskriminierung gelitten haben. Diese Frauen haben auch alle Berufe und Familien und arbeiten in dieser Organisation noch neben all ihren Verpflichtungen, aus Idealismus. Extrem bewundernswert. 




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